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KoalitionsvertragDer Bausektor bekommt sein eigenes Ministerium

Baustelle mit zwei Bauarbeitern und Werbe-Plakat für Wohnungsneubau
400.000 klimagerechte Wohnungen sollen jährlich gebaut werden, heißt es im Koalitionsvertrag der Ampel. (Foto: Pixabay / Free License)

Der Koalitionsvertrag der Ampel bringt einige Neuerungen für den Bausektor und ein eigenes Bauministerium. Energiestandards werden angehoben, Neubau, Sanierung und Wärmewende bekommen einen Schubs, und der erhöhte CO2 -Preis wird geteilt.

26.11.2021 – „Wir begrüßen die Ankündigung der Ampelkoalition, die Bedeutung des Bauens mit einem eigenständigen Ministerium hervorzuheben“, sagt Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe Felix Pakleppa. „Denn egal ob Leitungsinfrastruktur, der Ausbau der Windenergie oder die energetische Gebäudesanierung – bei der Klimawende ist die Bauwirtschaft mit ihrem Knowhow gefragt.“

CO2 rückt in den Fokus

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP für die Legislaturperiode bis 2025 sind etliche Maßnahmen für den Bausektor vorgesehen. Ziel sei eine „wirtschaftlich effiziente und sozialverträgliche Umsetzung der Klimaschutzziele“ im Gebäudebereich, die sich vor allem an der eingesparten Tonne CO2 orientiert – mit „passgenauen und technologieoffenen Maßnahmen aus Optimierung der Gebäudehülle, der technischen Anlagen zur Erzeugung und Versorgung mit Erneuerbarer Energie am Gebäude und Quartierslösungen.“ Dazu soll es entsprechende Förderprogramme geben.

Die SPD bekommt das Bau-Ressort

Das Bauen und Wohnen der Zukunft soll „bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen“ gestaltet werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Da ist erstmal von Allen und für Alle was drin – Soziales, Klimaschutz sowieso, und mehr Innovation.

Die Zuständigkeit für das Bauen war 2018 vom Umweltministerium ins Innenministerium gewandert – nun soll es ein eigenständiges Bauministerium geben. Das Bau-Ressort fällt der SPD zu. Die bisherige Umweltministerin Svenja Schulze ist für den Posten im Gespräch.

Wohnungsneubau soll beschleunigt werden

Die Ampel setzt das Ziel, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Das ist viel. Das Ziel hält auch die Baubranche für ambitioniert, denn in den vergangenen Jahren wurden rund 300.000 Wohnungen jährlich gebaut. „Richtig ist aber auch, dass gegen Wohnungsnot nur neu Bauen hilft“, so ZDB-Chef Pakleppa. Die Bauwirtschaft habe ihre Kapazitäten in der Vergangenheit deutlich ausgeweitet. Im Vertrauen auf die anstehenden Investitionen gebe das weiterhin Sicherheit.

Klimagerechtes Bauen finanziell entlasten

Die finanzielle Unterstützung des Bundes für den sozialen Wohnungsbau inklusive sozialer Eigenheimförderung will die Ampelkoalition mit erhöhten Mitteln fortsetzen. Die lineare Abschreibung für den Neubau von Wohnungen soll von zwei auf drei Prozent angehoben werden, um eine „klimagerechte Neubauoffensive“ zu starten. Dass die Koalition die lineare AfA erhöhen wolle, wäre lange überfällig und werde, so glaubt der Verband, Investitionen in den Mietwohnungsbau anregen.

Fachkräftemangel bekämpfen

Bislang scheiterte ein schneller Wohnungsbau an zahlreichen Vorschriften und nicht zuletzt am zunehmenden Fachkräftemangel. Dem wollen die neuen Bündnispartner mit verbesserter und finanzieller Förderung in der Ausbildung und bspw. einem leichteren Zugang zur Meisterprüfung sowie dem verstärkten Anwerben auch von ausländischen Fachkräften entgegenwirken.

Erhöhte Anforderungen an die Energieeffizienz

Die Anforderungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sollen verschärft werden, um den Klimaschutz im Gebäudebereich voranzubringen: Das Effizienzhaus 40 wird neuer GEG-Neubaustandard, die Förderung für Effizienzhaus-Standard 55 läuft Ende Januar aus. 2022 soll ein neues Förderprogramm für den Wohnungsneubau eingeführt werden, welches die Treibhausgas-Emissionen pro Quadratmeter Wohnfläche fokussiert.

Tempo für die Sanierung

Auch die Sanierungsstandards ziehen an: Ab Anfang 2024 sollen die Anforderungen für wesentliche Ausbauten, Umbauten und Erweiterungen von Bestandsgebäuden so angepasst werden, dass die auszutauschenden Elemente dem Effizienzhaus 70 entsprechen.

Das Förderprogramm für Serielles Sanieren wird laut Koalitionsvertrag fortgeführt und innerhalb der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) ausgeweitet. Serielles und modulares Bauen und Sanieren bspw. nach dem niederländischen Energiesprong-Prinzip solle dabei weiterentwickelt werden. Bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Hürden gelte es zu beseitigen.

Erneuerbare Wärme wird Pflicht

Ab Anfang Januar 2025 soll jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von 65 Prozent Erneuerbarer Energien betrieben werden. Das wird vor allem in Städten mit Mehrfamilienhäusern eine immense Herausforderung, und wäre nur mit einer massiven Umstrukturierung realisierbar.

Wärme in die Fläche bringen

Ambitioniert ist auch das Ziel von 50 Prozent erneuerbarer Wärme bis 2030. Davon sind wir weit entfernt, die Wärmewende lahmt seit Jahren. Akteure fordern hier schon lange mehr Freiheiten bei der Gestaltung klimafreundlicher und lokaler Versorgungslösungen: mit gezielter Förderung, Bürokratieabbau und weniger oder besseren Regulierungen, etwa für Quartierskonzepte oder kommunale Wärmenetze.

Umlage CO2-Preis und Teilwarmmiete

Vermieter von Häusern mit schlechter Energieklasse werden bald zur Kasse gebeten. Um eine aus Sicht der Politiker faire Teilung des CO2-Preises zwischen Mietern und Vermietern zu erreichen, soll bereits Mitte 2022 ein Stufenmodell nach Gebäudeenergieklassen eingeführt werden, welches die Umlage des CO2-Preises nach dem Brennstoffemissionshandeslgesetz (BEHG) regelt.

Wenn das zeitlich nicht gelingt, sollen die erhöhten Kosten durch den CO2-Preis ab ersten Juni 2022 je zur Hälfte zwischen Mietern und Vermieter geteilt werden. Das klingt nach einem hohen bürokratischen Aufwand für alle Beteiligten.

Der Bund der Mieter kann zufrieden sein, hätte sich allerdings auch einen stärkeren Deckel für Mietwohnungen gewünscht. Um das Mieter-Vermieter-Dilemma zu überwinden, soll laut Koalitionsvertrag ein schneller Umstieg auf die Teilwarmmiete geprüft werden. Die Modernisierungsumlage für energetische Maßnahmen soll nach Vorstellung der Politiker in diesem System aufgehen. Die Mietpreisbremse solle verlängert und verschärft werden.

Solarpflicht für Gewerbeneubau

Eine Solarpflicht für Neubauten, wie einige Bundesländer sie bereits fordern, betrifft zunächst Gewerbebauten. Ziel sei es aber, alle geeigneten Dachflächen – auch private – zukünftig für Solarenergie zu nutzen. Dabei wird ein Abbau bürokratischer Hürden für private Bauherren versprochen.

Graue Energie und Lebenszyklus bewerten

Wie von vielen Seiten mit Blick auf einen verbesserten Kima- und Umweltschutz gefordert, soll der Einsatz Grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten stärker betrachtet werden – etwa mit der Einführung eines digitalen Gebäuderessourcenpasses. Auch der Gebäudeenergieausweis soll verbessert, vereinheitlicht und digitalisiert werden.

Strompreise senken

Anfang 2023 soll die Finanzierung der EEG-Umlage nicht mehr über den Strompreis, sondern über den Haushalt erfolgen, u.a. mit den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung. „Dadurch dürfte der Strom für Endverbraucher günstiger und der Einsatz von Wärmepumpen wirtschaftlicher werden“, vermutet das Öko-Institut. Dazu gehört aber auch der Ausbau Ernuerbarer Energien, denn nur mit Ökostrom laufende Wärmepumpen bringen einen Klimanutzen.

Dringend notwendige Investitionen in die Infrastruktur

Wichtig und richtig wären auch die im Koalitionsvertrag versprochenen Investitionen in die Infrastruktur und deren Instandhaltung, lobt die Baubranche. Dies wurde lange vernachlässigt. Das betreffe vor allem Ingenieurbauwerke wie die vielen tausend Brücken, von denen erschreckend viele in einem maroden Zustand sind.

In einem Bundesbauministerium müssten nun dringend anstehende Maßnahmen gebündelt und zügig angegangen werden, hofft der Präsident der Bundesingenieurkammer Heinrich Bökamp. „Allerdings hätten wir uns genau aus diesem Grund gewünscht, künftig auch die Infrastruktur unter diesem Dach zu finden. Denn perspektivisch ist hier ein engeres Zusammenwirken von Hoch- und Infrastrukturbau unerlässlich.“

Die Richtung stimmt, doch da wäre mehr drin gewesen

Die Baubranche begrüßt auch die im Koalitionsvertrag enthaltenen Aussagen zur Digitalisierung, zur Entbürokratisierung sowie zur Standardisierung als einen Weg in die richtige Richtung. Angesichts der immensen Herausforderungen für den Planungs- und Bausektor seien jetzt vor allem finanzielle Verlässlichkeit, geeignete Rahmenbedingungen sowie passende nachhaltige Unterstützungs- und Förderangebote erfolgskritisch, so die Bundesingenieurkammer. Dazu zähle nicht zuletzt auch die Stärkung der Freiberuflichkeit als Rückgrat der mittelständischen Wirtschaft sowie die dringend notwendige Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), die erfreulicherweise in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde.

Nicht länger zögern, handeln

Insgesamt gesehen, angesichts der bevorstehenden großen Herausforderungen in den Bereichen Klimawandel, Energiewende, Digitalisierung, Wohnungsbau, Stadtentwicklung und Infrastruktur, wäre nach Ansicht der Bundesingenieurkammer aber noch mehr Mut zur Neugestaltung wünschenswert gewesen. Begrüßenswert wären aber die ambitionierten Ziele für die CO2-Reduktion.

Jetzt gilt es, schnell die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen und das Potenzial der Planer zu nutzen, „Denn wir können uns einen weiteren Stau beim Bau oder der dringend nötigen Sanierung von Verkehrswegen, Schulen oder Sportplätzen nicht leisten“, mahnt Bökamp. Nicole Allé


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