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Future Mobility SummitVon Letzter Generation bis Volker Wissing

Ein Mann in Anzug bnei einer Rede, fotografiert duch eine Autotür
Volker Wissing auf dem Future Mobility Summit des Tagesspiegel (Bild: Laurin Schmid)

Während die einen eine radikale Mobilitätswende fordern, sieht der andere die Lösung im Sammeln von Daten. Beim Future Mobility Summit des Tagesspiegels in Berlin, prallen die Meinungen zur Verkehrswende aufeinander.

27.09.2023 – Der Protest zeigt Wirkung, ihre Anliegen werden gehört. Vertreter:innen der „Letzten Generation“ konnten auf dem Future Mobility Summit, einer Veranstaltung des Tagesspiegels zur Zukunft der Mobilität in Berlin, erneut ihre Beweggründe und Forderungen auf großer Bühne darlegen. So sagte die Klimaaktivistin Irma Trommer ans Publikum gewandt: „Mobilität fängt im Denken an. Seid ihr in der Lage, die Denkmuster, die ihr kennt, zu verlassen?“ Und Tobias März, ebenfalls Mitglied der Letzten Generation und gelernter Solaringenieur, forderte eine Mobilitätswende, die alle mitnimmt und echten Wandel. Vieles was gerade geschehe sei lediglich Altes mit grünem Anstrich.

Bis März dieses Jahres waren die Forderungen der Letzten Generation ein Tempolimit von 100 km/h auf deutschen Autobahnen, sowie die Wiedereinführung des 9 Euro Tickets für den ÖPNV. Dann würde man die Straßenblockaden und weitere Protestformen einstellen. In einem Brief von Anfang März verlegte die Gruppierung ihre Forderungen auf ein sozial gerechtes Ende der fossilen Energien bis 2030 und die Einsetzung eines Gesellschaftsrates, in dem Bürger:innen über Lösungen beraten und diese der Politik vorlegen.

Auf die Frage des Tagesspiegel-Herausgebers Stephan-Andreas Casdorff, ob die provokante Art des zivilen Ungehorsams seitens der Letzten Generation die richtige sei, die Menschen beim Klimaschutz mitzunehmen, antwortete März: „Studien zeigen, dass es keine Verbindung zur Letzten Generation und der Abkehr vom Klimaschutz gibt.“ Die Abkehr der Gesellschaft von Klimaschutz ist ein inzwischen oft verbreiteter Vorwurf. Doch tatsächlich teilen seit 2021 unverändert 80 Prozent der Menschen die Sorge über den menschengemachten Klimawandel. Dies geht aus Umfragen der gemeinnützigen Organisation "More in Common" aus 2021 und Juli dieses Jahres hervor. Im gleichen Zeitraum halbierte sich die grundsätzliche Zustimmung zur Klimabewegung insgesamt von 68 auf 34 Prozent. Gleichzeitig ist eine Mehrheit der Menschen im Land grundsätzlich für die Forderungen der Letzten Generation und will, dass die Bundesregierung mehr für den Klimaschutz tut. Dies zeigen weitere Umfragen.

Für den Protest und ihren Einsatz würde sie in Kauf nehmen ins Gefängnis zu gehen, so Irma Trommer. Denn die Alternative sei, in einer Welt zu leben, die so nicht weiter funktioniere. Es brauche die Menschen auf der Straße, die die Dringlichkeit der Klimakrise aufzeigen ebenso, wie die Menschen die Stück für Stück an einer Energie- und Mobilitätswende arbeiten, ergänzte Tobias März.

Ebenso eine Bühne bot der Future Mobility Summit Vertreter:innen von Unternehmen, Verbänden und Politiker:innen. Hanna Rhein von der Deutschen Umwelthilfe kritisierte, dass angesichts der Klimakrise bei der Mobilitätswende das Große Ganze fehle und sich vieles nur punktuell bewege. Als Beispiel nannte sie die Einrichtung von Pop-Up-Radwegen in Berlin, die enorme Verbesserungen für Klima und Umwelt gebracht hätten. Eigenen Messungen zufolge habe sich an der Kantstraße in Berlin die Luftqualität um ein Drittel gebessert, der Autoverkehr abgenommen (Minus 22 Prozent) und der Radverkehr deutlich zugenommen (Plus 232 Prozent). Doch die Einrichtung von Pop Up Radwegen sei eben nur punktuell erfolgt, so Rhein. Aktuell stellt die schwarz-rote Berliner Landesregierung neue Radwege in Frage.

Kirstin Hegner, Direktorin des Münchener Digital Hub Mobility, verwies auf Klagen einzelner, die den Willen der Mehrheit nach einer Mobilitätswende oftmals im Weg stehen würden. So gibt es Klagen einzelner gegen die Verkehrsberuhigung der Kolumbusstraße, während viele, insbesondere Kinder, das neue Angebot an Spielplätzen und Grünflächen begeistert annehmen. Klagen gegen Verkehrswende-Projekte hatten in der Vergangenheit zum Teil Erfolg, weil ihnen das bundeseinheitliche Straßenverkehrsgesetz (StVG) im Wege stand. Dies und die dazugehörige Straßenverkehrsordnung werden aktuell reformiert. Ein Referentenentwurf wurde Mitte Juni öffentlich, zeitnah soll das neue StVG Bundestag und Bundesrat passieren.

„Ich würde mich freuen, wenn wir in wenigen Wochen ein neues Straßenverkehrsgesetz bekommen, dass den Kommunen freiere Hand gibt“, so Christian Hochfeld, Direktor des Think-Tanks Agora Verkehrswende. Laut Referentenentwurf sollen die Kommunen künftig auch Klima- und Umweltschutz bei der Planung neuer Verkehrswege berücksichtigen dürfen und nicht mehr vorrangig die Flüssigkeit des motorisierten Individualverkehrs, wie es bislang der Fall ist. Am Ende seien es die Menschen vor Ort, die am besten wüssten, wie sie Mobilität zielgerichtet und umweltfreundlich gestalten können, so Hochfeld. Auch Hanna Rhein unterstützt eine größere Verantwortung der Kommunen, würde aber ebenso Verbindlichkeiten seitens des Bundes, wie ein Tempo 30 innerorts befürworten.

Für Bundesverkehrsminister Volker Wissing dagegen waren Straßenverkehrsreform und Klimakrise erst einmal kein Thema. In seiner Rede auf dem Summit legte er den Fokus auf die Digitalisierung und das Nutzen von Daten in allen Mobilitätsformen als vermeintliches Allheilmittel für die Verkehrswende. Ob beim öffentlichen Verkehr, oder dem privaten Auto, das Sammeln von Daten und Austausch von Informationen diene am Ende dem Klimaschutz, durch eine bessere Verkehrsleitung. „Wir müssen künstliche Intelligenz willkommen heißen“, so Wissing. KI werde der Digitalisierung der Mobilität deutlich Vorschub leisten. Datenschützer:innen könnten die Ausführungen mit Sorge betrachten.

In einer anschließenden Diskussionsrunde mit Stephan-Andreas Casdorff und der leitenden Tagesspiegel Redakteurin Jana Kugoth, verwies Wissing auf den Erfolg des von ihm ins Leben gerufenen Deutschland-Tickets, mit dem man für 49 Euro den gesamten ÖPNV im Bundesgebiet nutzen kann. Zur Finanzierung fordern die Bundesländer inzwischen jedoch mehr Geld vom Bund, was Wissing bislang ablehnt. Eine, wie von der Letzten Generation geforderte, Wiedereinführung des 9-Euro-Tickets, lehnt Wissing ebenfalls ab. Ein solcher Preis sei dauerhaft ein Problem für den Klimaschutz, weil etwa Geld für die Verbesserung des Schienennetzes fehlen würde. Doch Bündnisse wie das „9 Euro Ticket weiterfahren“ verweisen darauf, dass die voraussichtlichen Kosten für das 9-Euro-Ticket von 12 Milliarden Euro pro Jahr, weitaus sinnvoller investiert seien als die 65 Milliarden Euro, die der Bund in Form von Zuschüssen und Steuersubventionen an klimaschädliche Energie und Verkehr vergibt. Manuel Grisard


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