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Die Meinung
18. Januar 2024

Ausblick 2024: Die fünf zentralen energiepolitischen Herausforderungen

Für die Energiewende war 2023 ein Erfolg, der Beachtung verdient und Mut für die Zukunft macht. Doch es steht noch viel Arbeit an. Für 2024 gilt es fünf zentrale Herausforderungen anzugehen.

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE)

Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE)
Eine Frau mit blonden Haaren und schwarzem Blazer
Bild: BEE

2023 war in vielerlei Hinsicht ein Jahr, in dem der Ausbau der Erneuerbaren Energien deutlich an Fahrt aufgenommen hat: Im Durchschnitt stammte mit rund 52 Prozent mehr als die Hälfte des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen – ein Rekord. Die installierte erneuerbare Leistung stieg um 12 Prozent auf 170 Gigawatt (GW). Dieser Anstieg war vor allem getragen durch den starken Zubau im Solarbereich, der sich mit 14,1 GW fast verdoppelt hat. Im Windschatten davon stieg auch der Ausbau privater Speicher an.

Bei der Windenergie wurde der Aufwärtstrend 2023 ebenfalls fortgesetzt, wenngleich schwächer. 745 neue Anlagen mit einer Leistung von 3,6 GW wurden im vergangenen Jahr installiert, die Werte des Vorjahres wurden somit um 48,3 Prozent übertroffen. Auch bei Genehmigungen ging es voran. Zahlreiche Reformen der Ampelkoalition ermöglichen den Zubau der beiden Schlüsseltechnologien Wind und PV, die die Energiewende nach Jahren des Stillstands in vielen Bereichen wieder auf Kurs gebracht haben. Ein echter Arbeitserfolg, der Beachtung verdient und Mut für die Zukunft macht. 

Für 2024 gilt es nun fünf zentrale Herausforderungen anzugehen:

1. Erneuerbare weiter entfesseln

Jetzt gilt es, neben der weiteren Entfesselung dieser fluktuierenden Quellen durch Abbau administrativer Hemmnisse, Verkürzung der Genehmigungsdauer, mehr Flächen, Digitalisierung und anderem, auch die flexibel steuerbaren in den Blick zu nehmen: Bioenergie, Wasserkraft und Geothermie. Deren Flexibilität wird neben Speichern und Sektorenkopplungsprodukten wie grünen Wasserstoff zunehmend als Ausgleich benötigt, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.

Hier fällt die Bilanz verhalten aus, obwohl die Potenziale vorhanden sind. Bioenergie- und Wasserkraft-Bestandsanlagen bangen um ihre Zukunft, obwohl die von ihnen gelieferte gesicherte erneuerbare Leistung günstiger und verlässlicher ist als die unsichere Perspektive von H2-ready-Gaskraftwerken, die noch nicht einmal ausgeschrieben sind. Und auch die Geothermie kann künftig neben viel Wärme auch Strom liefern. Die Entwicklung einer weitreichenden Biomasse-, Wasserkraft- und Geothermiestrategie – auch im Kontext des neuen Strommarktdesigns und der Kraftwerksstrategie – ist daher dringend erforderlich.

2. Fokus auf dezentrale Flexibilitäten richten

Erneuerbare Flexibilitätsoptionen werden verstärkt benötigt, um das zentralistische Stromsystem von vorgestern an die Bedürfnisse der dezentralen Erneuerbaren von heute anzupassen. Deswegen dürfen unsere Kohlekraftwerke nicht einfach mit Gaskraftwerksblöcken ersetzt werden. Zumal mangels grünen Wasserstoffs der verlängerte Einsatz von fossilem Erdgas oder blauem Wasserstoff droht, der durch Abspaltung von CO2 aus Erdgas gewonnen wird.

Allein unsere heimischen Biogasanlagen könnten in Zukunft durch die Flexibilisierung des Bestands bis zu 27 Gigawatt flexible Leistung bereitstellen. Bis 2030 könnte die Biogasbranche 12 GW beitragen, bei Hebung nachhaltiger Substratpotenziale sogar mehr. Dafür müsste unter anderem der Flexibilitätszuschlag angehoben werden. Die Kosten dafür lägen pro Kilowatt bei maximal der Hälfte von dem, was die fossilen Gaskraftwerke mit veranschlagten 60 Milliarden Euro verschlingen würden. Investitionen in die Flexibilisierung von Biogasanlagen würden sich noch dazu doppelt lohnen, denn Biogaskraftwerke können dezentral Wärme auskoppeln und systemdienlich in Wärmenetze und Gasspeicher vor Ort einspeisen. 

Eine auf Erneuerbaren, Speichern und dezentraler Sektorenkopplung beruhende Flexibilitätsstrategie macht aus der Kraftwerksstrategie eine bezahlbare, saubere und sichere Option.

3. Strommarkt reformieren

Die strukturellen Hindernisse für erneuerbare Energien im Strommarkt müssen jetzt beseitigt werden. Obwohl die Erneuerbaren mit 52 Prozent am Bruttostrombedarf den Großteil der Nettostromerzeugung abdecken und mittlerweile systemsetzend sind, funktioniert das System noch nicht nach ihren Bedürfnissen. Um der zunehmenden Zahl von Stunden mit negativen Strompreisen zu begegnen und damit betriebswirtschaftliche Risiken beim Betrieb von Solar- und Windanlagen zu minimieren, weil sie in diesen Zeiten pönalisiert werden, muss das Fördersystem umgestellt werden.

Denn eines seiner größten Stärken – die massive Degression der Gestehungskosten in den letzten Jahren – wird durch die Pönalisierung im EEG jetzt konterkariert. Hier braucht es neue Wege. Die „Plattform Klimaneutrales Stromsystem“ hat hier wichtige Grundlagenarbeit geleistet, die nun umgesetzt werden muss. Die bisher rein zeitliche Förderung auf ein mengenbasiertes Konzept (Mengenförderung) umzustellen und mehr Flexibilitäten zu schaffen, sind gemäß den Vorschlägen der BEE-Studie „Klimaneutrales Stromsystem“ entscheidende Schritte.

4. Wasserstoffhochlauf organisieren

Als weitere Baustelle wartet das Thema Wasserstoffhochlauf auf Umsetzung. Eine Studie des Wuppertal Instituts im Auftrag des LEE NRW zeigte jüngst, dass heimischer grüner Wasserstoff wettbewerbs- und konkurrenzfähiger ist als Importe, was zudem Resilienz und Wertschöpfung am Standort fördert und zudem eine wichtige Vor-Ort-Flexibilitätsoption darstellt. Es ist hierbei entscheidend, grünen Wasserstoff in Anwendungen der Industrie, von Stahl bis Chemie, zu priorisieren, um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. 

Im Bereich der Wasserstoffwirtschaft hat der Gesetzgeber 2023 nun erste Grundsteine gelegt; eine ausbaubare Speicherstrategie ist auf den Weg gebracht, die aber noch in ein schlüssiges Gesamtkonzept gegossen werden muss. Im Jahr 2024 steht nun der Aufbau einer flexiblen, systemdienlichen Wasserstoffstrategie im Fokus, um den Hochlauf der heimischen grünen Wasserstoffwirtschaft und den Ausbau erneuerbarer Energien erfolgreich zu koordinieren. Mit der 37. Bundesimmissionsschutzverordnung, dem Herkunftsnachweisregistergesetz und einer Kraftwerks-/Flexibilitätsstrategie werden wichtige Weichen gestellt.

5. Wärmewende vollziehen

Die Wärmewende hält nun endlich Einzug. Am 01. Januar traten die Gebäudeenergie-Novelle (GEG) und das Wärmeplanungsgesetz (WPG) in Kraft sowie Förderprogramme, die den Hochlauf der erneuerbaren Wärmetechnologien unterstützen sollen. Wärmepumpe, Solarthermie und Bioenergie stehen bereit. Doch auch hier sind wir nicht am Ziel. Zum einen hat die zähe Diskussion um das Heizungsgesetz zu einer starken Verunsicherung in Bevölkerung und Branche geführt. Hier sind nun alle gefordert, die Vorteile eines Umstiegs auf erneuerbare Heizungstechnologien hervorheben. Fossile Heizkessel werden perspektivisch zu steigenden Kosten führen. Die Wärmewende wirkt hier dagegen. Klarheit wird auch die kommunale Wärmeplanung schaffen. Sie ist daher entschlossen und zügig voranzutreiben. Letztlich müssen auch die Wärmenetze zügig und mit auskömmlicher Förderung der Kommunen ein-, aus- und umgebaut werden.

Werden diese fünf Herausforderungen in diesem Jahr angegangen, können wir einen weiteren Schritt in Richtung Klimaneutralität, Zukunftsfähigkeit des Standorts und dauerhaft bezahlbare Energiepreise in Deutschland machen.




Kommentare

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Jens P 18.01.2024, 13:56:31

Mit fehlt von Ihnen eine klaren Unterstützung für deutsche Solarhersteller wie Meyer Burger!

 

Hoffentlich kommt heute bei eurer Event endlich eine klare Aussage und Unterstützung für deutsche Solarhersteller von Herr Minister Dr Robert Habeck!

Es handelt sich bei Photovoltaikproduktion sogar um strategische Energie Infrastruktur. Ohne Eigenproduktionen wird China Europa beherrschen! Genau so einfach ist es. Begreifen aber (bis jetzt) offenbar Bundestagspolitikern nicht (und EU Politikern). Jeden Tag weitere Verzögerung kostet Firmen wie Meyer Burger sehr viel Geld. Viele Chinesische Solarmodule werden von Zwangsarbeitern in Arbeitslagern hergestellt. Mit Schwermetallen drin. Diese Solarmodule kommen dann auf die deutsche Dächer weil unsere Politikern versagen.


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